von
FrauBlau
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19.02.2021, 23:00
Liebes Camino-Tagebuch,
letzte Nacht träumte ich von dünnen Betonbruchplatten, die in etwa die Größe von Fußsohlen hatten. Diese Platten waren teils mit Moos bewachsen. Ganz deutlich sah ich die feinen Poren im Beton, den ersten Hauch von Moosgrün, und hier und da ein wunderfeines Mooskissen.
Wie elektrisiert sitze ich im Bett auf: Das ist ein Auftrag! Ich weiß ganz genau worum es geht. Zwar kann ich es weder greifen noch benennen,
doch spielt das keine Rolle. Freude! Ich kann kaum erwarten, mich auf den Weg zu machen. Irgendwie eine Wanderung steht an ...
Vermeintlich hellwach düse ich ins Bad. Dort fällt mein Blick auf die Uhr: Kurz nach vier Uhr morgens. .... - kurz nach vier?? Merkwürdige Zeit für einen Auftrag ... Ein Gefühl leiser Enttäuschung erfasst mich, als mir bewusst wird, ich hänge noch halb in einem Traum. Diese tollen Betonbruchstücke mit dem Moos ... alles nur ein Traum. Schlimmer eigentlich: es gibt gar keinen Grund, jetzt loszuwandern. Mit einem Gefühl der Enttäuschung schleiche ich zurück ins Schlafzimmer, schlüpfe unter die Bettdecke. Mhmmm... wie kuschelig warm und weich ... Eigentlich gar nicht so schlimm, jetzt noch ein bisschen schlafen zu können. --> *schnarch*
Wie die Beton-Fußsohlen in den Traum kamen
Gestern, auf dem Weg zu Fuß zur Fahrradwerkstatt, wurden meine Schuhe mehrmals mit Wasser "geflutet", wodurch die Schuhe deutlich an Gewicht zunahmen, ich das Gefühl hatte, ganz schwere Füße zu haben. Vielleicht erzähle ich ein anderes Mal mehr davon.
Doch kein Pausentag heuteEigentlich wollte ich heute einen Pausentag einlegen, aber dieser Eindruck, noch einen Auftrag zu haben, ließ mich heute den ganzen Tag nicht los. Tatsächlich drängte es mich ein wenig, noch einmal an einen Ort zurückzugehen, an dem es einen sonderbaren Vorfall gab. Nämlich auf meiner
Wandertour, am 17.02.2021 - Schnappschüsse und ein Schreckschuss :
Es ging entlang Wiesen und Feldern, ein wenig querfeldein. Die Kamera hatte ich mitgenommen. Dann entdeckte ich ein landwirtschaftliches Gerät, fotografierte herum, ohne zu einem befriedigendem Ergebnis zu kommen. Was ich als Motiv wollte, ging nicht, weil andere Teile des Korpus im Weg waren. Ich vertrödelte total viel Zeit damit, obwohl ich eigentlich nur marschieren wollte. Deshalb gab ich mich halt zufrieden damit:

Nur wenige Schritte weiter fällt mir etwas anderes ins Auge. Ein toll alterndes Metalltor mit vielen Roststellen und abblätternden Farbschichten. Immer wieder neue Motive entdeckte ich rund um das Tor.
Der Wind ließ mein Motiv immer munter hin und her, auf und ab wippen. Nach dem frustrierenden Ergebnis mit den Schalthebeln verbiß ich mich, vertrödelte gefühlt Ewigkeiten. Und wie das beim Fotografieren so ist: ich nahm weder Zeit noch den Raum rund um mich her wahr.

Irgendwann spürte ich leises Unbehagen, und den Drang, den Ort zu verlassen. Mich zufrieden zu geben, der Wind war ja nicht abzustellen. Nach wenigen Schritten auf der anderen Seite des Wiesenweges ein Gatter zu einer Pferdewiese. Ich stockte, die Versuchung zu fotografieren. In dem Moment fiel hinter mir ein Schuss. In etwa dort, hinter dem Tor, an dem ich fotografiert hatte.
Ich konnte das kaum glauben! Ich wollte das nicht glauben, weil ich dann ja um mein Leben laufen müsste, oder? Durch meine Hirnwindungen kam die Feststellung: ich habe hier keine Wachtel gesehen. direkt dazu die bescheuerte Schlussfolgerung: es kann keinen Schuss gegeben haben, denn es gibt ja keinen Grund zum Schießen. Außerdem hat es sich nicht so angehört, wie es klingt, wenn im Wald geschossen wird. Warum Wald? Hier war doch kein Wald? Ich war etwas durcheinander vor Schreck. Der Schuss klang anders ... wie ... wie ... Ich kam nicht drauf, ging inzwischen aber weiter. Besonnen, auch wenn ich fürchtete, der Schuss könne für mich bestimmt gewesen sein, so kann doch ein vernünftiger Mensch nicht wirklich glauben, dass es so war. Nur der Schreck. Ich ging weiter, hatte so ein Gefühl von Leere und Schutzlosigkeit im Rücken ... einerseits war ich doch recht sicher, nicht erschossen zu werden. Das wäre ja absurd. Oder? Wie weit ein Mensch auf Wiesen und Feldern wohl zu sehen ist?
Alles in Ordnung, schließlich sitze ich hier und texte ... Später, als ich es mit meinem Mann besprach, kam ich drauf: der Schuss könnte aus einer Schreckschusspistole gekommen sein. Aber warum sollte das jemand tun? Ich hatte das Wiesengrundstück nicht betreten. Mein Mann hatte eine Idee, warum mich jemand vielleicht verscheuchen wollte. Er meinte, ich hätte zu wenig kriminelle Energien, sonst käme ich auch drauf. Aha, aber er hat genug solcher Energien? Das gibt mir schwer zu denken.
Ernsthaft, seine Überlegungen sind einleuchtend, doch keiner von uns kann es wissen. Weshalb ich hier auch keine Vermutung äußern will. Das jedenfalls war heute mein "Auftrag" - so vom Traumfeeling her: ich bin noch einmal zum Ort des Schreck-Schusses gegangen. Also eher vorbei gegangen. Konfrontationstherapie. Sonst könnte es sein, dass ich das Gebiet zukünftig großräumig meiden würde. Diese Einschränkung möchte ich mir jedoch ersparen. Alles gut, und doch bleibt ein merkwürdiges Gefühl.