Ausgezeichnet.org

Sexualkultur in Deutschland

Sexualkultur in Deutschland

6 | 15600 Aufrufe

Sex und Erotik sind schon lange keine Tabu-Themen mehr. Zumindest geht man davon aus, denn Sex ist schließlich allgegenwärtig und wird fast überall dargestellt. Das erotische Plakat an der Bushaltestelle hat jeder vor Augen, die vielen Werbefilme mit expliziten Szenen auch, genauso wie die Abbildung attraktiver Frauen und Männer mit lasziven Blicken in diversen Magazinen. Wir werden im Prinzip permanent mit dem Thema Sex und Erotik konfrontiert, eine echte Reizüberflutung. Führt letztere zu mehr Aufklärung, mehr Offenheit gegenüber dem Thema und somit zu einer aufgeschlosseneren und gelebten Sexualkultur? Leider nicht ganz, oftmals ist sogar das Gegenteil der Fall.

 

Die Enterotisierung

Da wir ständig mit erotischen Reizen konfrontiert werden, findet laut Forschungen von Sexualpsychologen eine Enterotisierung statt. Wir werden unbewusst täglich mehrmals mit Sex und Erotik konfrontiert. Und wir können ebenso jederzeit alles abrufen, sehen und auch bestellen, von Porno-Filmen bis hinzu Sex-Spielzeugen. Das alles ist in unserer Gesellschaft schon längst kein Problem mehr. So ist jede achte Website, die in Deutschland aufgerufen wird, eine Pornoseite. Doch paradoxerweise ist die Auslebung des Sexuallebens nicht mehr so aktiv. Vielmehr erleidet sie unter dieser Vermarktung, die getreu dem Motto "Sex sells" bestens funktioniert, einen Durchhänger. Die Erotik bleibt aus.

Das lässt sich anhand eines einfachen Beispiels gut erklären: Vor knapp 50 Jahren hat allein die kleinste Andeutung, sowohl bei Frauen als auch bei Männern, sexuelle Phantasien und Begierde hervorgerufen. Heute lassen uns öffentliche Pornografie und sexuelle Werbung in vielen Fällen kalt, da wir sie sehr oft, wahrscheinlich auch schon zu häufig gesehen haben.

Natürlich hat die sexuelle Revolution viele positive Aspekte. Tabus wurden gebrochen, wir gehen offener und konkreter mit vielen Themen über Sexualität und Erotik um. Das ist ohne jeglichen Zweifel eine wichtige und notwendige Entwicklung unserer Gesellschaft. Doch es geht viel mehr um die Erotik, denn diese leidet häufig massiv unter dieser Entwicklung. Dieses Phänomen zieht sich durch alle Altersgruppen hindurch.

Die Mehrheit denkt, dass diese Problematik, also der Mangel an Erotik, bei der jungen Generation nicht vorhanden ist, vor allem bei den aktiven und freien Singles. Doch empirische Studien des Hamburger Instituts für Sexualforschung belegen, dass Singles nur fünf Prozent aller sexuellen Kontakte abbekommen, während 60-jährige Frauen und Männer, die in einer festen Beziehung leben, relativ regelmäßig miteinander schlafen (Anmerkung der Redaktion: Magazin "60 jährige Paare haben mehr Sex als 30 jährige Singles").

In festen Beziehungen sieht es aber in puncto Erotik leider auch nicht sehr prickelnd aus, denn es ist erwiesen, dass nach vier bis sieben Jahren in festen Beziehungen das sexuelle Begehren sinkt.

 

Besonders schwer haben es die Männer

Die Enterotisierung hat vor allem die Männer schwer getroffen. Früher galt der Mann als starker Familienvorsitzender, sozusagen das Alphatier im Rudel. Männer sollten stark und dominant sein, auch im Schlafzimmer. Das besaß ein gewaltiges Potential an Phantasie und Erotik. Heute hingegen müssen Männer oft verschiedene Rollen verkörpern, den einfühlsamen Kater und gleichzeitig den wilden Hengst. Das klappt in den seltensten Fällen. Meistens führt das zu Frustration und noch weniger Erotik. Doch was kann man tun gegen die Reizüberflutung der Medien und die Auslöser der Enterotisierung?

Eine offene Sexualkultur mit erotisierenden Gedanken bedarf einer offenen Mentalität. Laut Sexualpsychologen sprechen die Menschen immer noch viel zu wenig über die eigenen Wünsche und Vorlieben. Das führt zu noch weniger Erotik, weil wir ständig mit erotisch gemeinten Reizen konfrontiert werden, selbst aber nichts mehr damit anfangen können. Wir sehen uns satt und lassen es dann gut sein. Eine offene Art sich selbst und dem Partner gegenüber kann sehr hilfreich sein, um die Erotik erneut aufleben zu lassen. Die Werbung wird mit Sicherheit nicht sparsamer mit reizvollen Bildern und Videos umgehen, dafür sind sie zu lukrativ. Doch wer in den eigenen vier Wänden etwas tun möchte, sollte laut Experten vor allem eines: Reden.

 

Foto: © Andrey Burmakin - Fotolia.com

Redaktion, 28.05.2015